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Bei Auffahrunfällen zwischen Autos ist einem Urteil des hessischen Oberlandesgerichts (OLG) zufolge nicht in jedem Fall immer automatisch der von hinten kommende Fahrzeuglenker allein schuld. Bei einem "atypischen Geschehensablauf" komme eine andere Haftungsverteilung in Frage, entschied das Gericht in Frankfurt am Main nach Angaben vom Mittwoch in einem Prozess um eine Kollision zwischen Autos im Bereich einer Autobahnbaustelle. (Az. 9 U 5/24)
Im vorliegenden Fall hatte der vorausfahrende Autofahrer demnach einen bereits eingeleiteten Spurwechsel bei insgesamt unklarer Verkehrslage und hohem Fahrzeugaufkommen unvermittelt wieder abgebrochen. Er lenkte zurück auf die ursprüngliche Spur. Unmittelbar darauf musste er verkehrsbedingt stark abbremsen, woraufhin ihm der nachfolgende Autofahrer ins Heck krachte.
Nach dem Unfall im Sommer 2021 klagte die Versicherung des Verursachers gegen den Fahrer des nachfolgenden Autos. Nach Gerichtsangaben ging es dabei um einen Sachschaden von knapp 60.000 Euro.
In erster Instanz gab das Landgericht Gießen der Versicherung Recht und wies dem beklagten Unfallbeteiligten eine Haftungsquote von 80 Prozent zu. Dagegen ging dieser beim OLG in Berufung und erreichte nun eine Abmilderung der Haftungsquote auf 50 Prozent. Die Schuld wird also gleichmäßig geteilt.
Laut OLG greift der standardmäßige sogenannte Anscheinsbeweis, demzufolge bei Unfällen grundsätzlich der von hinten auffahrende Autofahrer schuld ist, im vorliegenden Fall nicht. Nach Ansicht des Gerichts achtete der vorausfahrende Fahrer beim Wiedereinscheren nicht auf den Verkehr hinter ihm und blinkte auch nicht.
Der Fahrer des auffahrenden Autos trägt aber ebenfalls eine Mitschuld. Bei der damaligen Verkehrslage hätte er mit dem abrupten Bremsen vorausfahrender Autos oder spurwechselnden Fahrzeugen jederzeit rechnen müssen. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
K.Lam--ThChM