
Euro STOXX 50
-44.2700
Mit Äußerungen über einen "unzureichenden" Einsatz Frankreichs gegen Antisemitismus hat der neue US-Botschafter Charles Kushner für Wirbel gesorgt. In einem Brief an Präsident Emmanuel Macron äußerte Kushner seine "tiefe Besorgnis über den dramatischen Anstieg des Antisemitismus in Frankreich und das unzureichende Vorgehen Ihrer Regierung dagegen". Wegen seiner "inakzeptablen" Äußerungen wurde Kushner am Montag ins Außenministerium in Paris einbestellt.
Kushner schrieb in dem in Medien veröffentlichten Brief, in Frankreich vergehe kein Tag, "an dem nicht Juden auf der Straße angegriffen, Synagogen oder Schulen beschmiert oder Geschäfte von Juden verwüstet werden". Die geplante Anerkennung eines Palästinenserstaats durch Frankreich "ermutige Extremisten, schüre Gewalt und gefährde jüdisches Leben in Frankreich".
US-Präsident Donald Trump und er seien sehr besorgt, weil sie "jüdische Kinder und Enkelkinder" hätten, schrieb Kushner. Das US-Außenministerium sagte dem US-Magazin "Politico", es unterstütze "die Kommentare" seines Botschafters, der im Mai bestellt wurde.
In einer Erklärung des französischen Außenministeriums von Sonntagabend hieß es, Frankreich weise die "Anschuldigungen entschieden zurück". Frankreich sei im Kampf gegen Antisemitismus "vollständig engagiert".
Weiter hieß es, die Kommentare von Kushner verstießen "gegen internationales Recht" und insbesondere gegen die Pflicht diplomatischen Personals, "sich nicht in innere Angelegenheiten von Staaten" einzumischen. "Darüber hinaus entsprechen sie nicht der Qualität der transatlantischen Beziehungen zwischen Frankreich und den Vereinigten Staaten und dem Vertrauen, das zwischen Verbündeten herrschen sollte."
Der wegen Steuerhinterziehung vorbestrafte Immobilienunternehmer Charles Kushner ist der Vater von Jared Kushner, dem Schwiegersohn von US-Präsident Trump. Kushners Verurteilung wurde von Trump 2020 durch einen Gnadenakt getilgt.
In Frankreich leben knapp 500.000 Jüdinnen und Juden, es handelt sich um die größte jüdische Gemeinde Europas. Seit dem Großangriff der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und dem dadurch ausgelösten Krieg im Gazastreifen ist die Zahl antisemitischer Taten in Frankreich und weiteren Ländern stark angestiegen.
Am Dienstag hatte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu dem französischen Präsidenten vorgeworfen, mit der geplanten Anerkennung eines Palästinenserstaats Antisemitismus zu befördern. "Ihre Forderung nach einem palästinensischen Staat schürt dieses antisemitische Feuer", schrieb Netanjahu in einem Brief an Macron. Er sei besorgt angesichts des "alarmierenden Anstiegs" von Antisemitismus und der mangelnden Bekämpfung "durch Ihre Regierung", fügte der israelische Regierungschef hinzu. Er rief Macron auf, härtere Maßnahmen gegen die Judenfeindlichkeit zu ergreifen.
Frankreichs Präsidialverwaltung reagierte auf Netanjahus Aussagen mit scharfen Worten. Der Vorwurf, mit der Anerkennung eines Palästinenserstaats den Antisemitismus zu befeuern, sei "falsch und abscheulich", erklärte der Elysée-Palast. Die französische Republik schütze "stets die Mitbürger jüdischen Glaubens" und werde dies "immer tun". Die derzeitige Lage erfordere "Ernsthaftigkeit und Verantwortungsbewusstsein statt Verallgemeinerungen und Manipulationen", hieß es weiter.
Nach dem Brief Kushners verteidigte Gleichstellungsministerin Aurore Bergé am Montag die Bilanz der französischen Regierung. "Der Kampf der französischen Regierung gegen Antisemitismus ist eindeutig", sagte sie dem Sender Europe 1-CNews. Das Thema sei "zu ernst", um in diplomatische Angelegenheiten einbezogen zu werden.
Bergré räumte den Anstieg antisemitischer Vorfälle im Westen ein. "Ich denke, wir haben ein Niveau erreicht, das absolut intolerabel ist." Es liege "eine Form von Antisemitismus in der Luft, die sich in all unseren Demokratien ausbreitet und gegen die wir kämpfen".
Auch Patrick Klugman, ein Anwalt mehrerer französischer Opfer der Angriffe vom 7. Oktober 2023, sagte, dass der Antisemitismus in Frankreich historische Ausmaße erreicht habe. Zugleich verteidigte er die französische Regierung und erklärte, Washington sei nicht in der Position, Paris Vorhaltungen zu machen. "In den vergangenen sechs Jahren wurde in Frankreich kein antisemitischer Mord begangen, während in den Vereinigten Staaten leider mehrere geschehen sind", schrieb er im Onlinedienst X.
J.Thompson--ThChM