
Euro STOXX 50
15.3500
Inmitten der Spannungen mit dem Nachbarland Venezuela ist am Montag in Guyana ein neues Parlament gewählt worden. Die Wahllokale öffneten am Montagmorgen und sollten bis zum Abend (Mitternacht MESZ) geöffnet bleiben. Die Partei, die als stärkste Kraft aus der Wahl hervorgeht, bestimmt den nächsten Präsidenten. Am Sonntag hatten die Behörden des ölreichen Landes Schüsse aus Venezuela auf ein Schiff mit Wahlunterlagen für die von beiden Ländern beanspruchte Region Essequibo gemeldet.
Als Favoriten der Wahl in Guyana gelten der amtierende Staatschef Irfaan Ali, der Oppositionskandidat Aubrey Norton und der Milliardär Azruddin Mohamed, der mit einer neuen Partei das traditionelle Zwei-Parteien-System aufbrachen will. Das Wahlergebnis wird frühestens für Donnerstag erwartet.
Der künftige Präsident muss die riesigen Ölvorkommen in dem südamerikanischen Land verwalten, dank derer sich der Staatshaushalt innerhalb von fünf Jahren vervierfacht hat. Guyana verzeichnete im vergangenen Jahr mit gut 43 Prozent das höchste Wirtschaftswachstum in Lateinamerika.
Einen Tag vor der Wahl hatten die Behörden einen Zwischenfall in der von Guyana und Venezuela beanspruchten Region Essequibo gemeldet. Aus dem Nachbarland seien am Sonntagnachmittag (Ortszeit) Schüsse auf ein Patrouillenschiff mit Wahlunterlagen für die Region auf dem Fluss Cuyuní in Essequibo abgegeben worden, erklärten Guyanas Armee und Polizei. Unmittelbar nach dem Beschuss in Höhe des Ortes Bamboo habe die Besatzung des guyanischen Patrouillenbootes zurückgeschossen.
Bei dem Vorfall sei auf guyanischer Seite niemand verletzt worden, hieß es in der Mitteilung von Armee und Polizei. Die Besatzung habe ihre Fahrt fortgesetzt und die Wahlunterlagen planmäßig zu den Wahllokalen gebracht. Die mutmaßlichen Verantwortlichen für den Angriff benannten die guyanischen Sicherheitsbehörden nicht. Sie erklärten lediglich, die Schüsse seien "vom venezolanischen Ufer" abgegeben worden.
Die beiden Nachbarländer haben einander in der Vergangenheit wiederholt Schüsse auf ihre Schiffe vorgeworfen. Meist schrecken sie aber davor zurück, das Militär des jeweils anderen Landes öffentlich verantwortlich zu machen. Hintergrund der Vorwürfe ist der Streit zwischen Guyana und Venezuela um das Gebiet Essequibo, das zwei Drittel der Landfläche Guyanas ausmacht.
Venezuela reklamiert Essequibo seit mehr als einem Jahrhundert für sich. Caracas' Begehrlichkeiten nahmen zu, nachdem ExxonMobil 2015 in dem Gebiet Ölvorkommen entdeckt hatte. In Essequibo leben rund 125.000 der insgesamt rund 850.000 Bewohner der ehemaligen britischen und niederländischen Kolonie Guyana. In dem Gebietsstreit hatte Guyanas scheidender Staatschef Irfaan Ali eine harte Haltung eingenommen und Rückendeckung der USA erhalten.
Im April 2024 ließ Venezuelas linksnationalistischer Präsident Nicolás Maduro ein Gesetz verabschieden, das Essequibo zu einem Bundesstaat Venezuelas erklärt und die Einrichtung "geheimer Militärbasen" durch die USA in der Region anprangert. Die Regierung in Georgetown nannte das Gesetz einen "eklatanten Verstoß" gegen das Völkerrecht. US-Außenminister Marco Rubio hatte im März bei einem Besuch in Guyana vor "Konsequenzen" für Venezuela gewarnt, sollte es das Nachbarland angreifen.
O.Tse--ThChM